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Die Truppenluftabwehr der NVA

Raketenleitstation 1S32

NATO-Code: "Pat Hand"

FRK 2K11 "Krug" NATO-Code: SA-4 "GANEF"

Foto 1: 1S32 -2003 Wehrtechnische Studiensammlung der Heeresflugabwehrtruppe Rensburg
   


Einleitung
Foto 2: 1S32 entfaltet in der Jägerkaserne in Trier. Sie wurde zwar nie als Bedrohungssimulator genutzt, aber der Verbleib im FMS 62 rettet sie wohl vor der Verschrottung.
Foto: Draheim/Stärz (ca. 1998)
    Die Aufgabe der Sowjetische Raketenleitstation (RLS) 1S32 (Nato-Code "Pat Hand") des FRK 2K11 Krug (Nato-Code SA-4 "Ganef" besteht im "Auffassen und Orten von Luftzielen, Übertragen der Bewegungsparameter des zu vernichtenden Luftzieles an die Startrampe, Bestimmen des Startmoments der FRa sowie dem Leiten der FRa zum Ziel" (DV K050/3/016) Die NVA verfügte 16 (1986) bzw. 15 (1988) Stationen 1S32 in den Versionen 1S32M / 1S32M1, von denen noch eine heute im Bestand des Luftwaffenmuseums Gatow (zzt. Marinearsenal Kiel) existiert.
Die Station wurde im NII-20 entwickelt und unterschied sich wesentlich von den bisher entwickelten Raketenleitstationen für den stationäen Komplex S-25 und dem verlegbaren FRK S-75 nicht nur hinsichtlich der Beweglichkeit, sondern vor allem auch durch das Verfahren der Zielbegleitung. Während bei den beiden FRK der Luftverteidigung die lineare Raumabtastung mit Linsenantennen für den Seiten und Höhenwinkel genutzt wurden kam bei der 1S32 erstmals das Monopulsverfahren zum Einsatz. Auf das ursprünglich vorgesehene kombinierte Lenkverfahren (Funkkommandolenkung + halbaktiv) wurde während der Entwicklung verzichtet. Allerdings verfügte die Station damit nur über einen Raketenkanal.


Stationsbeschreibung
Foto 3:ie selbe 1S32 in Marschlage
abgestellt Trier 2000
Foto: R. Wagner
Foto 4: Später wurde die RLS 1S32 an die Wehrtechnische Studiensammlung  abgegeben und war zunächst in der Heeresflugabwehrschule in Rensburg zu sehen (s.o), nach der Auflösung  ist diese Sammlung im Marinearsenal Kiel zu sehen und gehört zum Bestand des Luftwaffenmuseums Gatow.
Foto: R. Wagner 2016


Foto 5 und 6 Antennenanlage der 1S32 Marinearsenal Kiel
Fotos: R. Wagner 2016
  
 
 

Zeichnung 1 und 2: RLS 1S32  in Gefechts und in Marschlage: Zeichnung Archiv@Rose

Zum Bestand der Station gehörten:
  • Funkmeßgerät "Ziel" zum erfassen und begleiten des Luftziels und bestimmen der Zielkoordinaten,
  •  Funkmeßgerät "Rakete" zum erfassen und begleiten der Rakete sowie Bestimmen der Raketenparameter  im Regime "breiter Strahl" (Erfassung) und "schmaler Strahl" (gelenkter Flug)
  •  Funkkommandosender zum Senden der Lenkkommandos,
  • Fernsehvisier 9Sch33zur optischen Zielbegleitung,
  • Telecodegeräte 1S62 (zum Empfang der Zielzuweisung und Kommandos von der 1S12) und 1S63
      (Richtkommandos, Kommando zum Vorbereiten der Rakete und zum Start an die 2P24),
  • Rechengerät zur Berechnung der Start und Vernichtungszone sowie der Lenkkommandos,
  • Sichtgerätesystem mit RSG und ESG
  •  Synchronisationssystem zur Steuerung der elektronischen Komponenten,
  • Steuerungs-, Blockierungs- und Anzeigesystem,
  • Basisfahrzeug GM 123 mit Horizontierungssystem, Stromversorgungsanlage 1Ä3,
  • Bordsprechanlage  R124, Funkgerät R-123 und Vermessungseinrichtung, 
    Kernwaffenschutzanlage

Zeichnung 3: Schematische Darstellung der Antennenanlage der 1S32 und wesentlicher Blöcke im Kampfraum (ungarische DV zur 1S32)
K 51M1 - Antenne des FuMG "Ziel" zur Zielbegleitung
K 52 A1 - Antenne des FuMG Rakete, Regime "Schmaler Strahl"
rechts obehalb von K52A1 - Antenne FuMG Rakete  Regime "Breiter strahl"
links oberhalb von K52 A1 - Antenne des Funkommanosenders
Antennenmast links von der Antenne des FuMG "Ziel" - Antenne des Telecodegerätes
rechts oberhalb des Schwenkmechanismus für den Antennenspiegel des FuMG "Ziel" befindet sich das Fernsehvisier
Blöcke im Kampfraum der 1S32:
K 81-5A PPI-Sichtgerät / Rundsichtgerät
WPU-44 (rechts daneben) = Bildschirm des Fernsehvisiers
K81-8 (Entfernungssichtgerät)
Foto 7 und 8: Blick in den Kampfraum der 1S32. Die Besatzung bestand aus dem Stationsleiter (Offz.), dem Oberfunkorter und dem Funkorter, die hier nebeneinander saßen. Der Basisfahrer befand sich in der Front des Fahrzeuges und bediente u.a. die Gasturbine. (beide Fotos R. Wagner)


Gefechtsdienst
Foto 9: RLS 1S32 - 1. Version (Antenne FuMG Rakete schmaler Strahl - Flimmerpeilung
Korowin: "Die erste Generation"
Foto 10: Diese Version wird auch in einem Dokumentarfilm über sowjetische FRK gezeigt, der vom russ. Sender  Telekanal Swesda ausgestrahlt wurde
Foto 11: Ebenfalls aus diesem Dokumentarfilm 1S32 des FRK Krug-A

Foto 12: 1S32 beim "In Stellung" gehen
Foto aus Korowin "Die erste Generation"
   

Zum Beziehen der Startstellung fuhr die Station grob in Nordrichtung ein und wurde mittels Richtkreis eingerichtet. Zum Übergang in die Gefechtslage musste zunächst die Plane entfernt, der Astabweiser abgeklappt, die Station geerdet und die Stromversorgung hergestellt werden. Die Stromversorgung konnte autonom mittels Gasturbine bzw. Fremdstromversorgung durch ein PÄS-100 oder durch Umformer (DHS-Stellungen, Ausbildungsgelände ) erfolgen. Für das Luftabwehrgefecht wurde jedoch primär von einer autonomen Stromversorgung ausgegangen. Danach wurde die Station horizontiert und die Annenenanlage aufgerichtet. Die Station wurde eingeschalten und die Funktionskontrolle wesentlicher Systeme durchgeführt. In einem verkürztem Einschaltregime konnte das Einschalten auch ohne Funktionskontrolle durchgeführt werden. Der Funktionskontrolle folgte die Komplexkontrolle mit der 1S12, bei der u.a. der Kommando und Koordinatendurchlauf und die eingestellte Parallaxe überprüft wurden und die Komplexkontrolle mit den Startrampen, bei denen ebenfalls der Signal und Kommandodurchlauf geprüft wurden.  

Bei der automatisierten Zielzuweisung erhält die 1S32 über das Telecoderät 1S62 kodiert die Zielkoordinaten von der Aufklärungs  Zielzuweisungsstation 1S12. Die Datenübertragung kann über Funk oder über Drahtverbindung erfolgen. In diesem Regime wurde die Antenne des Funkmeßgeräts "Ziel" grob auf das zugewiesene Ziel ausgerichtet. Der OFO 1 suchte dann nach Seitenwinkel und Höhe, bis er das Ziel in der Mitte des Suchrasters (elektronisches Schwenken durch reihenweise Aktivierung von Hornstrahlern um +- 9°) des Bildschirmes hatte. Das RSG konnte sowohl in der Betriebsart Rundsicht als auch Höhenwinkelsicht gesteuert wetrden. Der OFO2 deckte dann das Entfernungsvisier ab und schaltete dann für Winkel- und Entfernungskoordinaten auf Automatische Zielbegleitung ANS (Awtomatitscheskie Nawedenie Zeli).

Darüber hinaus konnte die 1S32 auch autonom Suchen. Dazu wurden den einzelnen FRBttr wurden Such- und Bekämpfungssektoren zugewiesen. Bei Ausfall der 1S12 der FRA suchten die 1S32 der FRBttr (meistens nur zwei; die dritte war in Bereitschaft) selbständig, d.h. der OFO1 führte eine Suche per Hand im zugewiesenen Sektor durch (dieser Sektor wurde jedesmal in der Startstellung mittels Fettstift auf den Sichtschirm gemalt. Die Suche begann in einer Höhe von 9°, da ja das Suchraster +- 9° erfasste, dann ging es rauf nach 18° usw. Alle anderen Handlungen sind wie bei automatischer Zielzuweisung.

Nach Übergang zur Zielbegleitung errechnet der Rechner aus den Zielkoorinaten die Parameter der Start und Vernichtungszone, den Vorhalt sowie die Richtwerte für die Startrampen. Diese Werte werden an die Startrampen übertragen und die Artillerieteile auf den Vorhaltepunkt ausgerichtet. Zugleich beginnen die ersten Schritte zur Startvorbereitung der Fla-Rakete. Bei Eintritt des Ziels in die Startzone wird ein Kommando erarbeitet, der Abschluss der Startbereitschaft der Rakete initiiert wird und das in der 1S32 als Startbereitschaft angezeigt. Die Rakete wird von der 1S32  aus gestartet. Das FuMG Rakete erfasst die Rakete zunächst mit der Antenne für das Regime breiter Strahl. Diese Abntenne arbeitet mit Flimmerpeilung. Nach Erfassung der Rakete, wird zum Regime "schmaler Strahl" übergegangen. Die entsprechende Antenne arbeitet im Monopulsverfahren. Der Rechner errechnet aus Ziel und Raketenkoordinaten nach der vorgegebenen Lenkmethode den voraussichtlichen Treffpunkt und erarbeitet die Lenkkommandos. Diese werden vom Funkkommandosender an die Fla-Rakete übertragen. Der Fiunkkommandosender arbeitet im Dauerstrich-Verfahren im Zentimeterwellenbereich. 

Die Station verfügte über veschiedene Möglichkeiten des Störschutzes, so über ein System zur Selektion beweglicher Ziele (SBZ-System), zm Wobbeln der Impulsfolgefrequenz und zum Frequentzwechsel.

Neben der automatischen Zielbegleitung konnten insbesondere auch bei Störungen oder Antifunkmeßraketen u.a folgende Begleitmethoden genutzt werden

  • PNS (Programmnie Nawedenie Zeli - Programmgeführte Begleitung des Zieles): In Abhängigkeit von Entfernung und Geschwindigkeit wurde die Abstrahlung unregelmäßig ab- und zugeschaltet und ein Regelkreis führte dann die Zielantenne automatisch auf das Ziel nach
  • Halbautomatische Zielbegleitung nach Fernsehvisier: Wenn das Ziel im Fernsehvisier sichtbar war, wurde durch den OFO1 die Antenne nachgeführt, d.h. sie bewegte sich wie bei PNS und bei Änderung der Winkelgeschwindigkeit passte der OFO1 die Geschwindigkeit an. Er änderte also nicht die Lage der Antenne, sondern die Geschwindigkeit der Antenne. In bestimmten, unregelmäßigen Abständen schaltete der OFO1 das Radar ein und der OFO2 deckte dann wieder die Entfernung ab. Das war wichtig für die Bestimmung des Startzeitpunktes der FRa.
  • Zum Start der Rakete wurde immer in die automatische Zielbegleitung gewechselt.

    [Nach einer Information von T.Hahn]

Taktisch-Technische Daten


Foto 13; 1S32M (Marschlage)
[DV K 050/3/016]
 
    1S32M    
  Aufklärungsentfernungen  
     a) MiG-17 bei Höhe 250m   50 km  
     b) MiG-17 bei Höhe 3000m   76 km  
     c) IL-28 bei Höhe 3000m   110 km  
  Störschutz   aktiv/passiv  
 
  Basisfahrzeug   GM 124  
  Gefechtsmasse   28 000 kg  
  Abmessungen  
     a) Länge   8 240 mm  
     b) Breite   3 250 mm  
     c) Höhe in Gefechtslage   5 050 mm  
     d) Höhe in Marschlage   5 000 mm  
  Mittlere Geschwindigkeit  
     a) im Gelände   25 km/h  
     b) auf Straßen   55 km/h  
  Fahrbereich (o. Gasturb.) im Gelände   280 km  
   
 
  Primärstromversorgung   1Ä3  
  Telekodeeinrichtung   1S62/1S63  
  Vermessungseinrichtung   AT III M  
  Funkgerät   R123M  
  Bordsprechanlage   R124  
 
  Militärische Bestimmungen   A 051/1/123  

  1S32 "Pat Hand" 
  Raketenleitstrahl Leistung:  750 kW 
  Empfängerempfindlichkeit:  1 E -13 W 
  Raketenleitstrahl Öffnungswinkel:   
  Entfernungsfehler:  15 m  
  Winkelfehler:  0,06° 
  Raketenleitung bis:  105 km bzw.
70 km mit Düppelstörungen
 
  Basisfahrzeug:  Objekt 124  
    

Quellen/ Bildnachweis

  Foto 1, 3 bis 8: Ralf Wagner
Foto 9, 12: Korowin: "Die erste Genereation", Artikel zur Entwicklung des FRK 2K11 in russ. Sprache
Foto 10, 11: russ. Dok Film zur Entwicklung von Fla-Raketen, Telekanal Swesda
Foto 13: Dienstvorschrift entsprechend Angabe
Zeichnung 1 und 2: Roland Seifert , archiv@rose,
Zeichnung 3: Ungarische DV zur 1S32 aus einem ungarischen Internetforum

Angaben von T. Hahn, Vestnik-pvo und Korowin
    


Andreas Zerbst   2000-2002
update V2.1 © Ralf Wagner 2017